Auf den Spuren von Alexander Humboldt – unterwegs auf dem Rio Orinoco
von Maike Engler
Im Rahmen der Messe Travel Nature Colombia habe ich die Möglichkeit eine der ursprünglichsten und gleichzeitig atemberaubendsten und vielfältigsten Regionen Kolumbiens kennenzulernen. Nur sehr wenige Touristen haben bislang die Flüsse der Region bereist und ein Grossteil ist noch unerforscht, dennoch folgen wir sehr bedeutsamen Fussspuren.
Alexander von Humboldt startete seine Lateinamerika-Expedition 1799 mit dem Ziel, das Zusammenwirken der Naturkräfte, der Vulkane, Pflanzen, Erdschichten und Fossilien zu erforschen. Einer der abenteuerlichsten Teile seiner Reise führte ihn – und damit uns – auf den artenreichen Orinoco River, umgeben von tropischem Urwald. Alexander von Humboldt führte sehr viele geografische Standortmessungen durch, um Landkarten zu erstellen. Eine Sensation unter europäischen Wissenschaftlern ist seine Karte der Orinoco-Umgebung, denn sie zeigt, dass das System des Orinoco durch eine Gabelung auch mit dem Amazonas verbunden ist.
Wir starten unsere Reise in Puerto Carreno und fahren einen staubigen, roten Sandweg in Richtung des abgelegenen El Tuparro Nationalparks mit seiner vielfältigen Flora und Fauna. Hier leben neben und mit den 300 Arten von Vögeln, Raubkatzen, Tapiren, Affen und Insekten mehrere Ethnien im Einklang mit der Natur. Der Tuparro Nationalpark ist eine riesige, kaum erforschte Wildnis aus Savanne, Dschungel und Flüssen an der östlichen Grenze zu Venezuela. Riesige Felsen überragen die mächtigen Flüsse, nur ein Bruchteil des riesigen Ökosystems ist überhaupt erforscht und noch weniger ist für Touristen zugänglich.
Stundenlang begegnet uns kaum ein anderes Auto, wir überqueren mehrere Flüsse mit Hilfe kleiner Fähren. Am buchstäblichen Ende der Strasse verladen wir unser Gepäck, die mitgebrachte Verpflegung und das nötige Benzin für die nächsten Tage auf ein Boot. Unser Ziel für die nächsten 2 Nächte ist ein kleines, sehr einfaches Camp am Tambora River mit einem schönen Sandstrand und einfachen Hütten – irgendwo im Nirgendwo.
Der zweite Tag startet mit einem Besuch der indigenen Gemeinde Sikuani, diese leben in der Region und schützen diese. Wir treffen den Dorfältesten, unser Guide bringt notwendige Medikamente und Lollis für die Kinder, ein weiterer lokaler Guide begleitet uns dann zum wunderschönen Caño Lapas. Beim Durchqueren eines Flusses bin ich nicht die Einzige die unfreiwillig baden geht, aber in den kleinen, kristallklaren Pools geniessen wir alle ein erfrischendes Bad. Ein Vorteil unter Wasser ist natürlich, dass die Mosquitos uns nicht erreichen.
Unser Mittagessen nehmen wir auf dem Boot ein, der nächste Stopp sind die Maipures-Stromschnellen, eine der beeindruckendsten Landschaften Vichadas, wo die Flüsse Tuparro und Orinoco zusammenfliessen. Sie wurden nach den ersten indigenen Stämmen benannt, die dieses Gebiet bewohnten, bevor die spanischen Missionare erschienen. Eine seiner Hauptattraktionen ist der «Balancín», ein Felsen, der auf unerklärliche Weise über einem anderen schwebt und trotz der starken Strömungen seit Hunderten von Jahren unbeweglich geblieben ist. Die Ufer sind Teil des Guayana-Schildes, eine der ältesten geologischen Formationen der Erde und zeigen einige mehr als 200 Jahre alte Piktogramme. Humboldt schrieb, er habe das «achte Weltwunder» gefunden.
Wir starten am folgenden Tag wieder auf den Orinoco River. Unterwegs bewundern wir die herzigen, leider akut vom Aussterben bedrohten, rosa Flussdelfine «Boto». Der Rückgang der Bestände ist zum grossen Teil auf Umweltverschmutzung und die Zerstörung ihrer Lebensräume zurückzuführen, aber auch nicht nachhaltige Fischerei spielt eine grosse Rolle.
Flussdelfine sind generell ein Indikator für intakte Ökosysteme, welche auch signifikant für die lokale Bevölkerung sind und schlussendlich natürlich den Menschen im Allgemeinen.
Wir erledigen kleine Einkäufe auf dem Floating Markt, darunter 2 Flaschen fantastischen venezuelischen Rum und eine Familienpackung kühlendes Aloe-Vera-Gel, das Einzige, was die vielen Mückenstiche beruhigen konnte. Über die Stromschnellen fährt unser Kapitän allein, wir steigen mitsamt dem Gepäck für eine 15-minütige Fahrt um in die «Bestia», ein Dodge 350 LKW und ein Riesenspass. Die Logistik läuft erstaunlicherweise wirklich wie am Schnürchen, obwohl es in dieser Gegend nicht mal ein Telefonsignal gibt.
Wir fahren zurück auf dem Boot weiter zur autonomen, staatlich anerkannten indigenen Gemeinde Sarrapia, die zur ethnischen Gruppe der Piaroa gehört und im Dschungel von Matavén lebt. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht die kulturelle Integrität, die Autonomie und die Würde aller indigenen Völker der Region durchzusetzen. Die Einwohner zaubern uns ein köstliches, typisches Mittagessen mit Reis, Patacones und natürlich Fisch, danach geht es wieder auf den Fluss, um gemeinsam mit einigen Kindern des Dorfes ein Bad zu nehmen und uns im Einbaumfahren zu üben.
Am Abend führt uns einer der Anführer durch das Dorf, welches auch eine Art kleines Internat für die Kinder der umliegenden Dörfer bietet. Die Piaroa sind sehr stolz auf ihre Traditionen und ihren Glauben und haben diese grösstenteils selbst während der intensivsten Kolonialisierungsphase der letzten Jahrzehnte beibehalten. Sie leben friedlich in Respekt vor sich selbst, den anderen, der Natur und den geistigen Wesen wie Götter oder Helden. Sie nehmen in der Region eine Schlüsselrolle für den Schutz und die Erhaltung der Wälder, der biologischen Vielfalt und des kulturellen Erbes ein. Ebenfalls stolz sind sie auch auf ihren 40 Meter tiefen Trinkwasserbrunnen und die erneuerbare Energie, die sie für Ihre Gemeinde gebaut haben. Sie sind ausserdem auf dem Weg, nachhaltigen Tourismus anzubieten, verkaufen Kunsthandwerk und haben extra für uns kleine Hütten gebaut für die Übernachtung.
Den nächsten Tag verbringen wir auf dem Boot und navigieren mit einigen Badestopps durch die geschützte Estrella Fluvial de Inírida, eines der aussergewöhnlichsten Ökosysteme Kolumbiens, da hier verschiedene Flüsse zusammenfliessen. Die Artenvielfalt der Gewässer, der Pflanzen und Tiere ist erstaunlich, hier leben zudem Fische, die aufgrund ihrer Formen und Farben in Aquarien auf der ganzen Welt schwimmen. Unser Ziel ist ein einfaches Camp der Gemeinde Remanso.
Der letzte Tag der Reise hält ein weiteres Highlight bereit. Um 4:30 Uhr beobachten wir den Sonnenaufgang vom Boot, im Morgengrauen besteigen wir die beeindruckenden Mavecure Hills. Die riesigen, 800 Meter hohen Felsen, die auch als Tepuyes bekannt sind gehören zu den ältesten geologischen Formationen der Erde. Es dauert etwa eine Stunde mit etlichen Fotostopps, um den Gipfel zu erreichen. Der Ausblick über den Fluss und die anderen Granitberge ist einzigartig!
Eine lokale Legende erzählt die Geschichte einer Prinzessin, die vor vielen Jahren alle drei Gipfel bestieg, nachdem sie von einem einheimischen Prinzen mit einem zu starken Liebestrank betäubt worden war. Sie erreichte den 712 Meter hohen Pajarito und verliess ihn nie wieder. Sie wacht laut der Legende bis heute über die Menschen, die Flora und die Fauna der Gegend.
Am Nachmittag geht es dann flussabwärts zurück in die Stadt Inírida.
Humboldt fuhr natürlich noch weiter, seine nächste wichtige Station war Kuba, aber für uns endet die Reise, man kann sie durchaus auch Expedition nennen, hier und wir fliegen am folgenden Tag zurück in die Zivilisation.
Als Fazit kann man sagen, dass diese Tour wohl die Essenz von ursprünglichem Reisen ist. Ich fühle mich privilegiert, diese unberührte Region und ihre liebenswerten, authentischen Bewohner kennengelernt zu haben.
Sollten Sie Interesse an dieser oder einer anderen Reise ins vielfältige Kolumbien haben, kontaktieren Sie uns gerne jederzeit!
P.S.: Weitere Informationen und Tipps zu Kolumbien finden Sie hier. In unserem Reiseplaner haben wir weitere Reisevorschläge für Kolumbien für Sie zusammengestellt.