In dieser Reportage teilen wir Stimmen und Beobachtungen von Erstreisenden und Kuba-Kenner:innen – ehrlich, vielseitig und mit einem Blick auf ein Land, das sich verändert und doch seinem Wesen treu bleibt.
Es war nicht meine erste Reise nach Kuba – aber vielleicht die eindrücklichste. Anlass war das 25-jährige Jubiläum von Caribbean Tours, der Firma meines Vaters, die sich seit einem Vierteljahrhundert mit viel Engagement auf Reisen in die Karibik spezialisiert hat. Was ich und unsere kleine Reisegruppe auf dieser Jubiläumsreise erlebten, war ein Kuba im Wandel: ein Land zwischen Improvisation und Hoffnung, zwischen improvisierten Tankstellen und neuen Design-Boutiquen, zwischen Stromausfällen und erstklassigen Mojitos. Es war, trotz aller Widersprüche, eine Reise, die uns tief berührt hat.
Die Revolution, so scheint es, ist verblasst. Zwar prangen auf vielen Häuserfassaden noch die Parolen der einstigen Helden – doch sie wirken wie Relikte aus einer vergangenen Zeit. «Die jungen Kubaner wollen nach vorne schauen, selbstständig sein und sich entwickeln», meinte eine Mitreisende nachdenklich. Dass ihnen das zunehmend gelingt, zeigt sich vielerorts: In kleinen Cafés, in privat betriebenen Restaurants, auf Rastplätzen mitten im Nirgendwo, die überraschend professionell geführt sind.
Auch Myriam, selbst Touristikerin, beobachtete diesen Wandel mit wachem Blick. In Havanna besuchte sie zwei Modeboutiquen, geführt von jungen Designerinnen, die den typisch kubanischen Stil neu interpretieren. «Es ist ermutigend zu sehen, wie viel Eigeninitiative heute möglich ist. Die Jugend hat eine Vision – und sie beginnt, sie umzusetzen.» Auch auf dem Land zeigen sich diese Veränderungen: Verkäufer am Strassenrand, kleine private Läden, kreative Geschäftsideen. Möglich wurde das durch Lockerungen bei der Gründung von Kleinstunternehmen, die neue Perspektiven schaffen.
Jonathan, der zum ersten Mal in Kuba war, hat besonders den Unterschied zwischen Stadt und Land wahrgenommen: «In der Altstadt von Havanna ist die Armut sichtbarer, viele Kinder betteln, viele Erwachsene wollen einem etwas verkaufen. Aber auf dem Land ist das Leben noch einmal viel einfacher – und trotzdem erstaunlich friedlich.
Zwischen Mangel und Qualität
Trotz aller Aufbruchsstimmung bleibt das tägliche Leben für viele Kubaner schwierig. Besonders in ländlichen Regionen wie Trinidad wird der Spagat zwischen Tradition und Tourismus sichtbar. Während Reisende im Hotel alles finden, fehlt es der Bevölkerung oft am nötigsten. «Ich bin noch nie von so vielen alten Menschen angebettelt worden wie dieses Mal», erzählt Kathy. Und Koni bringt es auf den Punkt: «Im Restaurant gibt es für uns alles – im Laden bekommst du nichts.»
Und doch war vieles überraschend gut. Enrique, der bereits 2023 in Kuba war, fand die Stimmung dieses Mal sogar positiver: «Die Menschen wirkten offener, freundlicher – und weniger aufdringlich als beim letzten Mal.» Auch Severin war begeistert: «Trotz allem – alle, denen wir begegnet sind, waren freundlich und hilfsbereit.» Besonders berührt hat ihn eine Szene an dem unberührten Strand der Playa Jutia: «Als unser Auto wegen leerer Batterie stehen blieb, kamen sofort mehrere Männer zu Hilfe – ganz ohne dass wir fragen mussten.»
Die Casas Particulares – also die privaten Unterkünfte – wurden von allen gelobt. Sie seien mit viel Liebe gepflegt, oft sehr gut ausgestattet und herzlich geführt. «Das war ein echtes Highlight», sagt Jonathan. «Die Gastgeber waren unglaublich nett und das Essen war durchwegs hervorragend.» Auch Enrique hebt hervor, dass diese Unterkünfte oft mit Klimaanlage, WLAN und sogar kleinen Restaurants ausgestattet seien – trotz Stromausfällen und schwieriger Logistik.
Das typische Kuba – noch immer da
Was uns alle berührt hat, war diese eigenwillige Mischung aus Vertrautem und Neuem. Die alten Chevrolets, der Malecón, die Musik in den Strassen, Zigarren und Pferdekutschen – Kuba bleibt Kuba. Und doch verändert sich etwas. «Das Denken der neuen Generation ist anders», sagte Kathy. «Sie träumen nicht mehr von der Revolution, sondern von einem selbstbestimmten Leben.» Auch Enrique meinte: «Man sieht jetzt sogar hin und wieder Elektroautos in Havanna – das hätte ich nicht erwartet.»
Für Myriam war ein Besuch bei einer kubanischen Bauernfamilie besonders bewegend: «Wie einfach sie leben – und wie fröhlich sie trotzdem sind.» Momente wie diese erinnern daran, warum Kuba so einzigartig ist. Und auch Jonathan zeigte sich beeindruckt von der Bedeutung der Musik im Alltag: «Man spürt überall, wie wichtig Musik ist – das gibt dem Land eine ganz besondere Atmosphäre.» Gleichzeitig fragte er sich, wie viel dieser Musik heute noch spontan passiert – und wie viel davon bereits für Touristen inszeniert wird.
Ja, man kann nach Kuba reisen – mit den richtigen Erwartungen
Natürlich ist das Reisen in Kuba kein All-Inclusive-Erlebnis mit 24h-Zimmerservice. Man muss vorbereitet sein – auf Stromausfälle, Benzinknappheit, begrenzte Auswahl in Supermärkten. Aber wer sich darauf einlässt, wird belohnt. «Kuba ist ein Land in der Ruhe vor dem Sturm», sagte Koni. «Wer das ursprüngliche Kuba noch erleben will, sollte jetzt reisen – bevor es final zusammenbricht oder amerikanisiert wird.»
Auch ohne Direktflüge aus Zürich bleibt Kuba erreichbar – mit einem Zwischenstopp. Und laut Myriam ist das für viele kein Hindernis: «Die Bequemlichkeit eines Direktflugs ist schön. Aber wer sich für Kuba entscheidet, nimmt auch einen Umstieg in Kauf.»
Severin bringt es auf den Punkt: «Ich würde Kuba zu 110 % weiterempfehlen – mit dem Hinweis, die Reise über Spezialisten zu buchen.» Jonathan rät: «Unbedingt gut informieren – zu Unterkünften, Ausflügen und lokalen Gegebenheiten. Und: Wer Spanisch spricht, hat es deutlich leichter.»
Ein persönliches Fazit
Für mich war diese Reise mehr als nur ein Wiedersehen mit Kuba – es war eine Erinnerung daran, wie viel dieses Land zu geben hat, wenn man bereit ist, hinter die Fassade zu schauen. Dass ich Teil dieser besonderen Jubiläumsreise sein durfte, war für mich persönlich besonders bewegend – als Tochter, als Reisende und als jemand, der Lateinamerika seit Jahren beruflich begleitet.
Kuba bleibt ein Land, das berührt. Wer offen reist und sich auf das Echte einlässt, wird viel entdecken. Vielleicht gerade jetzt.