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Kolumbien: Riesenpalmen von Pijao, die Alternative zu Cocora

Kolumbien, Pijao, Quindio, Palmeras Tour El Alto, Latin America ToursDer Nationalbaum Kolumbiens, die Quindío-Wachspalme, ist mit einer Höhe von bis zu 60 Metern die höchste Palme der Welt. Sie wächst nur in ganz bestimmten Regionen Kolumbiens in andinen Hochtälern und Nebelwäldern auf 2000 bis 3000 Metern Höhe. Bekannt für Ausflüge in diese einzigartige Landschaft ist das Cocora-Tal bei Salento. Die Kombination aus Bauerndorf mit bunt bemalten Fassaden und den oft nebelverhangenen Wachspalmenwäldern im Cocora-Tal macht diese Ecke zum beliebtesten Ausflugsziel der ganzen Kaffeezone. Wer die Palmen abseits des Trubels erleben und mit authentischem lokalem Bauernleben in Kontakt treten will, findet sein Paradies ein paar Täler weiter, in den Bergen von Pijao. Tanael Michel hat sich für Latin America Tours selbst ein Bild vor Ort gemacht.

Kolumbien, Pijao, Quindio, Palmeras Tour El Alto, Latin America ToursSeit ich regelmässig Kolumbiens Kaffeezone besuche, war ich bestimmt schon fünf Mal in Salento und im Cocora-Tal. Egal wie kurz und kompakt eine Rundreise ist, diesen Ort lässt eigentlich keiner aus. Das liegt einerseits an der Kombination aus lebendigem Künstlerdorf und der einfach zugänglichen Wachspalmen-Landschaft im Cocora-Tal, und auf der anderen Seite daran, dass sich Salento als erstes Dorf im Departement Quindío, welches als Herz der kolumbianischen Kaffeezone gilt, komplett auf den Tourismus ausgerichtet hat. Am Dorfplatz und in der Hauptstrasse reihen sich Kunsthandwerks-Läden, Boutiquen, Galerien und Cafés aneinander. Salento dürfte zu den fünf beliebtesten Orten der Kolumbianer im nationalen Tourismus zählen. Dazu kommen seit vielen Jahren internationale Rucksacktouristen und Künstler, und seit gut zehn Jahren machen auch die meisten geführten Reisen und ausländischen Gäste im gehobenen Segment hier einen Halt.

So toll Salento auch ist, so hat der Ort durch seinen Erfolg an Authentizität eingebüsst. Aus dem Bauerndorf ist ein Künstler- und Aussteigerdorf geworden. Die Preise sind in die Höhe geschossen und viele Einheimische haben ihre Wohnungen aufgegeben und daraus Hostels, Bed & Breakfasts oder ein anderes Geschäft gemacht. An langen Wochenenden wird das Dorf oft regelrecht von Gästen aus dem Inland überrannt.

Kolumbien, Pijaao, Wachspalmen, Pijao am Morgen von oben, Latin America ToursSo habe ich für Latin America Tours im Dezember 2020 nach Alternativen abseits der Massen gesucht und um das versteckte Bauerndorf Pijao die perfekten Bedingungen gefunden. Pijao liegt hinter der ersten Hügelkette in einem Tal, von dem sich die Anden bis auf 4000 Metern Höhe erheben. Im Dorf ist fast alles noch genauso wie vor zehn, ja sogar zwanzig Jahren. Man will es hier von Beginn weg anders machen und den Tourismus langsam angehen. So hat sich Pijao der Gruppe «Cittaslow» angeschlossen, einem internationalen Netzwerk lebenswerter Orte mit besonderem Augenmerk auf Lebensqualität, Nachhaltigkeit und den Menschen im Mittelpunkt.

Am Hauptplatz von Pijao findet man bunt bemalte Fassaden, ein paar Cafés, und die beliebte Billardhalle ist auch direkt um die Ecke, genau wie bei touristisch erschlossenen, gut besuchten Dörfern wie Filandia. Aber hier dominiert das Dorfleben gegenüber der touristischen Geschäftigkeit. Wir sind vielleicht sogar die einzigen Gäste von auswärts, denke ich, als uns an einem Donnerstagmorgen im Dezember Don Ramón mit seinem Geländewagen am Hauptplatz abholt. Ebenfalls mit dabei ist Mónica Ramírez von der Fundación Las Mellizas. Sie wird uns auf unserer Tour begleiten. Die Stiftung Las Mellizas bemüht sich in den Gemeinden Pijao und Génova um den Schutz der hochsensiblen Páramo-Feuchtgebiete. Sie führt lokale Bauern weit vom Dorf abgelegener Höfe und Fincas in die nachhaltige Bewirtschaftung ihrer Weiden und Felder ein. Die Unterstützung erfolgt einerseits in Form von Schulung in umweltverträglichen Methoden und andererseits materiell bei der Anschaffung des dazu notwendigen Materials. Mónica hat im Vorfeld des Ausflugs den Besitzern der einfachen Fincas im Einzugsgebiet unserer Tageswanderung unseren Besuch angekündigt.

Kolumbien, Pijao, Quindio, Palmeras Tour El Alto, Finca La Playa, Latin America ToursWir fahren aus dem Dorf und gewinnen rasch an Höhe. Nach einer halben Stunde sehen wir Pijao bereits in weiter Ferne im Talboden. Anfänglich ist die Vegetation gemischt. Später fahren wir durch weitläufige Eukalyptus- und andere Pflanzungen für die Holzwirtschaft. Wir hoffen, dass den Monokulturen regional klare Grenzen gesetzt werden. Auch darum bemüht sich die Stiftung. Denn es ist ein grosses Geschäft. Aber die Vielfalt der Lebensräume und die Attraktivität der Natur ums Dorf wird durch sie bedroht. Es ist ein sonniger Tag, aber oben an den Bergen hängen Wolken. Wenn sie kurz aufreissen sehen wir in unwirklich nebliger Ferne die ersten Wachspalmen, winzig klein, fast wie starre, pfeilgerade Grashalme.

Kolumbien, Pijao, Quindio, Palmeras Tour El Alto, Finca La Playa, Don Ramon, Käse, Latin America ToursIn der Finca La Playa machen wir nach über einer Stunde Fahrt einen kurzen Halt. Mónica hat den Bauersleuten Doña Flor und Don Ramón ein paar Lebensmittel und eine Flasche Wein aus dem Dorf mitgebracht. Sie empfangen uns mit typisch kolumbianischer Gastfreundschaft, frischen Arepas, einer Art dicker Maisfladen, der hier öfter als Brot gegessen wird, und selbst gemachtem Käse. Und natürlich einer Tasse Tinto, Kaffee wie ihn die Bauern hier am liebsten trinken: Nicht zu stark und etwas gesüsst mit Panela, der hier verbreiteten Form von Rohrzucker. Das Bauernpaar ist am Melken und Käse machen. Wir wollen sie nicht aufhalten und setzen unsere Fahrt in die Berge über Schotterpisten einem wilden Flusslauf entlang fort. Treffpunkt mit Don Leonardo, einem waschechten Quindío-Cowboy, ist die noch einmal 40 Minuten entfernte Schule, eine kleine Baracke mit Klassenzimmer und Sportplatz, wo aktuell nur gerade sechs Schüler aus den umliegenden, bis zu zwei Stunden Fussmarsch entfernten Höfen, für die Primarschule eingeschrieben sind.

Kolumbien, Pijao, Quindio, Palmeras Tour El Alto, Don Leon, Latin America ToursAb hier setzen wir unsere Reise zu Fuss fort. Leo führt uns und sein Pferd Estrella über schmale Pfade immer weiter hinauf durch den Wald, der sich immer mehr lichtet. Aus der Ferne sehen wir die majestätischen Palmen zwischen den Wolkenschwaden. Unser Atem wird schwerer, die Luft dünner. Bald sind wir auf deutlich über 2000 Metern Höhe und durchqueren sozusagen eine Wolke. Dann reisst der Himmel auf und wir sind plötzlich mittendrin. Überall rund um uns schiessen sie in die Höhe, die riesigen Wachspalmen. Ein spektakulärer Moment. Wir können uns kaum sattsehen. Die Bäume können bis 60 Meter hoch und mehrere hundert Jahre alt werden. Dies mit einem Stamm von bloss 30 bis 40 Zentimetern Durchmesser – eine wahnsinnig schlaksige Erscheinung. Der Himmel klart weiter auf und wir sehen, dass auch die andere Talseite voll hoher Wachspalmen ist. Sie sind überall. Dass es mir nach den diversen Besuchen im Cocora-Tal nochmals so die Sprache verschlagen würde beim Anblick der Wachspalmenwälder, hätte ich nicht gedacht. Aber die Energie dieses Ortes ist völlig anders und neu für uns. Ganz ohne die fröhlich lärmigen Gruppen von Tagesgästen, die am liebsten die Fotos direkt vom Parkplatz aus machen würden, ist der Anblick hunderter Wachspalmen noch viel eindrücklicher.

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Auf über 2500 Metern Höhe besuchen wir Doña Liliana in der Finca el Alto. Auch sie ist gerade am Käse machen, aber sie empfängt uns mit offenen Armen. Wir bekommen einen wärmenden Kaffee und unterhalten uns mit ihr. Rund um die «Alp» liegen bestimmt zehn junge Kälbchen. Die Mitarbeiter von Las Mellizas haben den Bauersleuten hier geholfen, die Rinder mit gestifteten Einzäunungen von den Wachspalmenwäldern fern und auf den Weiden zu halten. Denn die Viehzucht verhindert vielerorts das Nachwachsen von neuen Wachspalmen, da Kühe und Rinder ganz verrückt sind nach den langsam wachsenden Sprösslingen des kolumbianischen Nationalbaums.

Kolumbien, Pijao, Quindio, Palmeras Tour El Alto, Latin America ToursFrisch gestärkt setzen wir die Wanderung über rauschende Bergbäche und Weiden fort und steigen nochmals auf über 3000 Meter Höhe. An einem wolkenlosen Tag könnten wir vom höchsten Punkt bis nach Pijao sehen. Heute versperren Wolken die Sicht. Hier verabschiedet sich unser ortskundiger Wegbeleiter Don Leonardo, der noch drei Stunden Marsch zu seinem Hof in einem Seitental vor sich hat. Er erklärt uns den Weg und wir machen uns auf den steilen Abstieg über Trampelpfade, Weiden und durch den Nebelwald bis zur unbefestigten Landstrasse nahe der Talsohle. Hier holt uns Don Ramón mit seinem Willys Jeep ab, und während es schon zu dämmern beginnt, holpern wir gemächlich zurück in die Zivilisation des gemütlichen Bauerndorfs Pijao.

Wer etwas Zeit mitbringt und bereit ist, ein paar Stunden zu wandern, der wird mit einer der eindrücklichsten Landschaften ganz Kolumbiens belohnt. Und dazu gibt es obendrauf total authentische Einblicke ins lokale Bauernleben bei einfachen, herzlichen Menschen. Für mich eine klare Steigerung zum Cocora-Tal! Abstecher nach Pijao können auf allen unseren Rundreisen eingebaut werden – gerne beraten wir Sie. Einige Reisevorschläge für Kolumbien finden Sie in unserem Reiseplaner.

Ihr Tanael Michel, Reiseexperte und Kolumbien-Fan

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